Abschied von Heidi Estermann

«… den fehlenden Rappen am Ende immer noch gefunden …»

Am 1. Juli 2001 trat Heidi Estermann ihr Amt im Kirchenvorstand an. Dort hatte sie 22 Jahre lang das Ressort Finanzen besetzt. Nun gibt sie ihr Amt ab, um gemeinsam mit ihrem Mann den wohnverdienten Ruhestand zu geniessen. Zum Abschied führte Christoph Thiel ein längeres Gespräch mit ihr.

Liebe Heidi, du bist unsere dienstälteste Mitarbeiterin. Aber kannst du dich noch erinnern, wie du damals zu dem Amt gekommen bist?

In einer Botschaft zur Kirchgemeindeversammlung war ein Inserat: Gesucht wird eine Kirchengutsverwalterin. Damals war Ruth Unternährer Vorsitzende. Gerhard Hofer war mein Vorgänger. Dass mein Mann auch Gerhard heisst und Gerhard Hofers Frau Heidi, das ist doch lustig. Also 54 Jahre Gerhard und Heidi auf dem Posten in der Kirchgemeinde. Ich war damals Mami, und für mich war ein Nebenamt von daheim aus genau das Richtige. Auch von meiner Ausbildung her, KV Ausbildung mit Schwerpunkt Finanzen, hat es gepasst. Am Anfang war es herausfordernd: Wir mussten alles auf PC umstellen, die Gemeinde wuchs, und es kamen immer mehr Angestellte dazu.

Was hat dir am meisten Freude bereitet?

Ganz klar die Kameradschaft, das Team, wir haben immer alle am gleichen Strick gezogen und alles miteinander getragen. Man kommt mit einem freundlichen Händedruck in die Sitzungen, es sind manchmal verschiedene Meinungen da, aber man geht wieder im Guten hinaus. Schlussendlich haben wir immer eine Lösung gefunden. Wir kamen aus verschiedenen Dörfern der Gemeinde und kannten uns nicht. Auch die Pfarrpersonen sind alle sehr unterschiedlich gewesen. Trotzdem hat es gut funktioniert.

Was war weniger schön?

Die langen Sitzungen bis um halb zwölf. Und man kann danach ja auch nicht sofort einschlafen. Und um Viertel nach 5 musste ich wieder aus den Federn …

Worauf bist du stolz?

Ich habe in 22 Jahren nie eine negative Rechnung gehabt. Natürlich braucht man dazu gute Steuereinnahmen trotz niedrigstem Steuerfuss. Aber wir waren sparsam, haben nie Risikoprojekte gemacht, stehen finanziell gut da. Mit den anderen zusammen sind wir gute Haushalter gewesen. Sogar meine letzte Rechnung ist positiv, obwohl unsere Kirchgemeinde nach langem Wachstum wieder kleiner geworden ist. Der Umbau des Kirchgemeindehauses war finanziell das grösste Projekt für mich, danach die Anschaffung des Flügels. Aber dafür haben wir die neue analoge Orgel gespart, die wäre viel teurer gekommen.

Kannst du mir einen Höhepunkt deiner Tätigkeit nennen?

Ich habe mich natürlich diebisch gefreut, wenn ich einen Fonds zum richtigen Zeitpunkt verkaufte …

Ist dir etwas schwergefallen?

Die Jahresberichte. Ich habe in der Schule auch nie gerne Aufsätze geschrieben. Lange Texte sind nicht meine Sachen. Dann die Videokonferenzen. Ich will den Menschen ins Gesicht schauen. Und: Während der Corona-Zeit habe ich einmal vor der Kirche stehen müssen und die Leute wieder nach Hause schicken müssen, weil die Bewilligung für den Gottesdienst zu spät kam. Da haben sich einige sehr geärgert. Das werde ich nie vergessen. Und schliesslich: Wenn die Rechnung nicht stimmt und man muss einen Rappen suchen. Aber am Ende habe ich den Rappen immer noch gefunden.

Wirst du deine Arbeit bei uns vermissen?

Die Kollegschaft werde ich vermissen, die Jahresessen. Ich habe eingeführt, dass die Partner/innen dabei sein dürfen, denn die müssen ja auch auf uns verzichten während der vielen Sitzungen.

Wo sieht man dich in Zukunft in der Gemeinde und privat?

In der Liturgiegruppe, als Lektorin also und bei dem Altersnachmittagen, beim Ausflug. Und privat: Flussreisen sind eine grosse Leidenschaft, oder Wanderferien im Engadin oder in den Freibergen im Jura. Da waren wir schon oft und freuen uns über den gewonnenen Freiraum.

Hast du Wünsche für deine Reformierte Kirchgemeinde?

Dass sie weiterhin Mitarbeiter hat, die die Kirchgemeinde tragen. Für viele, etwa von Schongau, ist es ein weiter Weg zur Kirche. Aber wenn man da ist, sollte man sagen können: Bei euch ist es schön!