Kirchensplitter

Bilderfreiheit

Hiermit gebe ich es zu: Gelegentlich werfe ich einen Blick auf Presseerzeugnisse, bei denen die Bilder die Buchstaben dominieren. Das ist manchmal sehr entspannend. Wenn der Kopf eh voll mit Worten ist, will er sich nicht auch noch beim Zeitunglesen durch eine Bleiwüste fressen.  

Mittwoch, 30. April 2025

Dabei lässt es sich nicht vermeiden, dass zwischen den Bildern auch Texte stehen. Kürzlich konnte ich einen Text im «Blick» nicht ignorieren, denn da schien es um meinen Berufsstand zu gehen.  Da meinte der Kolumnist, die «linksgrüne Klerisei» hätte die Kanzeln «von Genf über Basel bis Bern» besetzt. Bei genauem Lesen wurde dann klar: Mit den Klerikern waren moralisierende Politiker gemeint, die den Menschen Vorschriften machen wollen, in dem Fall ging es um das Verbot von Werbeflächen im Stadtbild.

Ich dachte schon: Glück gehabt. Doch dann wurde es theologisch: Der gute alte Zwingli geriet dem Texter zum Urvater aller Bilderverbieter. Zuviel der Ehre für Zwingli. Es geht um Mose, Herr Meyer! Dem Gebot «Du sollst dir kein Bild von Gott machen» liegt die grösste Freiheitserzählung zugrunde, die die Menschheit kennt: Der Auszug aus der Sklaverei. Die Vermutung hinter dieser Erzählung: Wer sich goldene Kälber giesst, verschenkt seine frisch gewonnene Freiheit wieder.

Der Kolumnist dagegen möchte die linken Bilder-Verbieter in die Freiheit des Kapitalismus «jagen». Trotz meiner theologischen Gegenargumente möchte ich ihm auf eine Art doch zustimmen. Mit den monumentalen Vergötterungen von Autos auf Werbeflächen kann man super Konfirmandenunterricht zu den mosaischen Geboten machen. Ich wäre sonst als Religionspädagoge ziemlich aufgeschmissen. Und wüsste nicht so präzise zu sagen, welche andere grosse Freiheit mir die Bibel zuspricht.

Christoph Thiel, Pfarrer