Kolumne von Daniel Rüegg

Wenn Blumen «beeten»

Donnerstag, 25. April 2024

Alljährlich blühen in unserem Rasen Vergissmeinnicht. Meist in kleinen Gruppen formiert bilden sie blaue Inseln in der grünen Rasenfläche - himmlisch! Schon vor dem ersten Rasenmähen, versuchen wir der Bitte der Blume Folge zu leisten und suchen nach den Stellen in unserem Rasen, wo Vergissmeinnicht spriessen, damit wir sie beim Mähen dann nicht übersehen, auch wenn sie noch nicht blühen.

Der Name «Vergissmeinnicht» ist erst seit dem 15. Jahrhundert gebräuchlich. Vorher nannte man das Vergissmeinnicht «blauer Augentrost»: Auch ein sehr passender und schöner Name, denn der Anblick der kleinen Blümchen wirkt tatsächlich tröstlich und tut gut. Hinzu kommt, dass der meist weiss oder gelb umrandete Blütenkelch wie ein Auge aussieht. Oft nannte man das Vergissmeinnicht aber auch «blaues Mausöhrlein», was sich wohl auf die kleinen Bütenblätter bezieht. Gleichzeitig ist dies die Übersetzung des botanischen Namens: «Myosotis» (griechisch: myos = Maus, otis = Ohr). Beide ehemaligen Namen weisen auf unsere wichtigsten Wahrnehmungsorgane hin, auf das Auge und auf das Ohr. Es macht den Eindruck, als ob uns die Pflanze auffordern möchte, nicht zu vergessen, sondern aufmerksam zu sein, hinzusehen und hinzuhören und unsere Wahrnehmung zu schärfen!

Es gibt verschiedene Anekdoten, weshalb man diese Blume ab dem 15. Jahrhundert plötzlich Vergissmeinnicht nannte: Eine Legende besagt, dass ein Ritter zum Abschied für seine Geliebte einen Blumenstrauss sammelte. Da er aber bereits in seiner schweren und unbeweglichen Rüstung steckte, kam er ins Straucheln und fiel ins Wasser. Mit der Rüstung konnte er nicht schwimmen. Da warf er, vor dem Ertrinken, seiner Geliebten die Blumen zu und rief: «Vergiss mein nicht!» Ein Artikel in Wikipedia besagt hingegen, dass der Name von einer deutschen Sage aus dem Mittelalter stamme, wonach die kleine Blume Gott bat, sie nicht zu vergessen. So gesehen wäre dieser Blumenname dann tatsächlich ein Gebet. Vielleicht war es aber auch umgekehrt, vielleicht hat Gott die kleine Blume dazu aufgefordert, ihn nicht zu vergessen und zu ihm zu beten, wer weiss...

Das Vergissmeinnicht steht für Liebe, Erinnerung und Treue. Also wenn Dir ein Vergissmeinnicht begegnet, und derzeit blühen sie überall, dann nimm dies doch als Aufforderung, dich an die zu erinnern, die du zu vergessen neigst und vergiss nicht zu beten.

Daniel Rüegg, Sozialdiakon